Der goldene Entschluss

Der goldene Entschluss


Klack, klack… Die Spitzhacke sauste auf das Gestein nieder. Klack… Funken sprühten auf, als Jakob mit aller Kraft auf den Felsen einschlug. Tief in der dunklen Mine hallten die Geräusche seiner Arbeit wider. Schweiß tropfte ihm von der Stirn, seine Hände waren rau und von der jahrelangen Arbeit gezeichnet.

Er war es gewohnt, Stunde um Stunde in den Tiefen der Erde zu verbringen, immer in der Hoffnung, eine ergiebige Erzader zu finden. Doch meist förderte er nur nutzlose Steine und kümmerliches Erz zutage.

Doch dann – ein anderes Geräusch. Nicht das gewohnte harte Klack, sondern ein dumpfes, hohles Klonk! Jakob hielt inne. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Er richtete die Laterne näher auf die Stelle, die er gerade bearbeitet hatte. Da! Zwischen den dunklen Gesteinsschichten blitzte etwas auf.

Er schluckte schwer und begann vorsichtig mit der Spitze seiner Hacke an der Stelle zu kratzen. Mit jedem Splitter, den er löste, wurde das Funkeln stärker. Und dann sah er es deutlich: Eine dicke, goldene Ader zog sich durch den Stein – groß und unübersehbar.

Gold!

Sein Atem ging schneller. So viel Gold hatte er noch nie gesehen! Mehr als genug, um ein Leben in Reichtum zu führen. Sein Herz pochte laut in seiner Brust.

Er ließ sich erschöpft auf einen Felsen sinken und starrte auf das Gold. Plötzlich wurde ihm bewusst, was das bedeutete. Wenn er es für sich behielt, konnte er das harte Leben als Minenarbeiter hinter sich lassen. Nie wieder würde er in diesen dunklen Schächten arbeiten müssen. Er könnte sich ein großes Haus bauen, feine Kleidung tragen, gutes Essen genießen.

Aber dann dachte er an sein Dorf.

An die alten Leute, die kaum genug zu essen hatten. An die Kinder, die ohne Schuhe durch den kalten Winter liefen. An die Kranken, die sich keinen Arzt leisten konnten. Alle lebten sie in bescheidenen Verhältnissen, mühten sich Tag für Tag ab – genau wie er.

Ein innerer Kampf entbrannte in ihm. Die Gier flüsterte ihm zu, dass er das Gold verstecken und still und heimlich verschwinden sollte. Doch eine andere Stimme, tief in seinem Herzen, sprach leise, aber bestimmt: Teile es. Nutze es für alle.

Er schloss die Augen. Nie hatte er über so viel Reichtum verfügt. Nie hatte er eine Entscheidung getroffen, die so schwer auf seinen Schultern lag.

Plötzlich hörte er ein Geräusch. Schritte näherten sich!

„Jakob? Bist du noch da unten?“ Es war Elias, sein bester Freund und ebenfalls Minenarbeiter.

Panik durchfuhr Jakob. Er könnte die Ader verdecken, so tun, als hätte er nichts gefunden. Doch während er noch überlegte, trat Elias bereits um die Ecke – und entdeckte das Gold. Seine Augen weiteten sich.

„Heilige Mutter Erde… ist das wirklich…?“

Jakob nickte langsam. Eine lange Stille entstand zwischen ihnen. Dann fragte Elias leise: „Was wirst du tun?“

Jakob spürte, wie sein innerer Kampf erneut aufflammte. Er sah seinen Freund an – Elias, der eine große Familie zu ernähren hatte, der oft mit leerem Magen zur Arbeit ging, weil es nicht genug für alle gab.

Da wusste er es.

Mit fester Stimme sagte er: „Ich werde es mit dem Dorf teilen.“

Elias riss erstaunt die Augen auf. „Meinst du das ernst? Du könntest alles für dich haben…“

Jakob lächelte. „Was bringt mir Reichtum, wenn mein Herz daran zerbricht? Ich will nicht allein in einem großen Haus sitzen, während alle anderen weiter hungern. Dieses Gold soll uns allen gehören.“

Elias sah ihn lange an. Dann nickte er langsam, ein Lächeln zog sich über sein Gesicht. „Du hast ein gutes Herz, Jakob. Lass uns das Dorf informieren.“

Zusammen kehrten sie zurück an die Oberfläche. Jakob war aufgeregt. Würden die anderen ihn für verrückt halten? Würden sie gierig werden und sich um das Gold streiten?

Doch als er das Dorf erreichte und alle versammelte, erzählte er seine Geschichte mit festem Blick und ruhiger Stimme.

Zunächst herrschte Stille. Dann brach ein aufgeregtes Murmeln los. Und schließlich – Jubel!

Die Menschen umarmten ihn, klopften ihm auf die Schultern. Er sah Tränen der Dankbarkeit in den Augen der Alten, das Staunen in den Gesichtern der Kinder.

„Mit diesem Gold können wir das Dorf erneuern! Neue Häuser bauen, bessere Werkzeuge kaufen, für Nahrung sorgen!“ rief eine Frau begeistert.

Und so geschah es. Das Gold wurde fair verteilt, und das Dorf begann zu blühen. Neue Häuser wurden gebaut, die Straßen befestigt, die Kinder bekamen Schuhe und warme Kleidung. Niemand musste mehr hungern.

Und Jakob?

Er fühlte sich reicher als je zuvor – nicht wegen des Goldes, sondern wegen der Wärme und Dankbarkeit, die ihm entgegenschlug.

Und wenn ihn jemand fragte, ob er seine Entscheidung je bereut habe, lächelte er nur und sagte:

„Das größte Gold, das ein Mensch besitzen kann, ist das Glück seiner Freunde und Familie.“