
Der Zauber der Vorweihnachtszeit
In einer kleinen deutschen Stadt namens Lichterfels, mit gepflasterten Straßen, gemütlichen Fachwerkhäusern und einem großen Marktplatz, begann der Advent. Die Schaufenster der Geschäfte waren festlich dekoriert, der Duft von frisch gebackenen Plätzchen lag in der Luft, und die alten Straßenlaternen strahlten warmes Licht aus, das sich im Kopfsteinpflaster spiegelte.
Inmitten dieser festlichen Kulisse lebte die achtjährige Mia. Mia war ein aufgewecktes Mädchen mit neugierigen Augen und einer großen Vorliebe für Weihnachten. Doch in diesem Jahr war sie etwas traurig. Ihre Eltern waren sehr beschäftigt – der Papa arbeitete bis spät im Büro, und die Mama hatte alle Hände voll mit der Planung des Weihnachtsmarktes zu tun. Mia fühlte sich oft allein, und obwohl überall Lichter und Musik waren, fehlte ihr das Weihnachtsgefühl.
Eines Nachmittags, während Mia am Fenster saß und den großen Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz betrachtete, bemerkte sie eine ältere Frau, die in einem langen roten Mantel vorbeiging. Die Frau hatte einen Korb in der Hand, und als sie Mia bemerkte, lächelte sie ihr zu und nickte leicht. Es war ein besonderes Lächeln, fast so, als würde sie Mia zu sich winken. Neugierig zog Mia ihren Mantel an, wickelte sich in ihren Schal und lief hinaus.
Die Frau ging langsam über den Platz und verschwand in einer kleinen Gasse hinter der Kirche. Mia folgte ihr. Dort, in der Gasse, stand ein kleiner Stand, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es war kein gewöhnlicher Stand wie die anderen auf dem Weihnachtsmarkt. Statt Glühwein oder Lebkuchen gab es hier kleine, handgemachte Figuren: Engel, Tannenbäume, Sterne und winzige Häuser, die wie aus einem Märchen wirkten.
„Du bist neugierig, nicht wahr?“ fragte die Frau, als Mia näherkam. Ihre Stimme klang warm und freundlich.
„Ja,“ antwortete Mia, „diesen Stand habe ich noch nie gesehen. Und Sie … sind Sie eine richtige Weihnachtsfrau?“
Die alte Dame lachte leise. „Man könnte es so sagen. Ich bin hier, um ein wenig Weihnachtszauber zu verteilen.“
„Weihnachtszauber?“ fragte Mia erstaunt.
Die Frau nahm eine kleine, leuchtende Kugel aus ihrem Korb und reichte sie Mia. „Das hier ist eine besondere Kugel. Sie zeigt dir, was wirklich wichtig ist an Weihnachten. Aber du musst sie mit Bedacht nutzen.“
Mia nahm die Kugel vorsichtig in ihre Hände. Sie war warm und schimmerte in allen Farben des Regenbogens. „Wie funktioniert sie?“ fragte Mia.
„Halte sie in der Hand, schließe die Augen und denke an jemanden, den du glücklich machen möchtest,“ erklärte die Frau.
Mia überlegte nicht lange. Sie schloss die Augen, hielt die Kugel fest und dachte an ihre Eltern. Sie stellte sich vor, wie sie alle zusammen lachen, Plätzchen backen und Weihnachtslieder singen würden – so, wie sie es früher gemacht hatten.
Als Mia die Augen öffnete, war die Frau verschwunden, und der Stand ebenfalls. Verwundert schaute Mia sich um, doch da war nur die stille Gasse und der Schnee, der leise fiel.
Am nächsten Morgen erwachte Mia früh und bemerkte etwas Merkwürdiges. Der Duft von frisch gebackenen Plätzchen zog durch das Haus, und sie hörte die Stimme ihres Vaters, der mit ihrer Mutter Weihnachtslieder summte. Neugierig lief sie in die Küche – und dort standen ihre Eltern, beide in Schürzen, mitten im Mehlchaos.
„Mia! Guten Morgen!“ rief ihre Mutter. „Wir dachten, heute machen wir einen besonderen Adventstag – nur für uns drei. Was hältst du davon, Plätzchen zu backen und später auf den Weihnachtsmarkt zu gehen?“
Mias Herz machte einen Sprung vor Freude. „Das klingt wunderbar!“ rief sie.
Den ganzen Tag verbrachten sie zusammen, lachten, sangen und erzählten Geschichten. Und als sie abends über den Weihnachtsmarkt schlenderten, suchte Mia mit ihren Augen nach der alten Frau, doch sie war nirgends zu sehen.
In ihrem Herzen wusste Mia jedoch, dass der Weihnachtszauber sie besucht hatte. Von diesem Tag an fühlte sie sich wieder wie das glücklichste Mädchen der Welt – und sie wusste, dass Weihnachten nicht in Geschenken oder Glanzlichtern steckte, sondern in der Zeit, die man mit den Menschen verbringt, die man liebt.